Die angebundene Katze

Ein alter und weiser Mönch hielt mit den jungen Mönchendes Klosters täglich eine Abendmeditation. Als eines Tages die Klosterkatze während dieser Zeit in die Kapelle lief und störte, ordnete der alte Mönch an, die Katze sollte während dieser Zeit draußen festgebunden werden. So konnte man von da an wieder ungestört meditieren.

Die Jahre vergingen, an denen täglich die Katze während der Abendmeditation angebunden wurde. Schließlich starb der Mönch und bekam einen Nachfolger. Dieser hielt sich streng an die Tradition, dass während der Abendmeditation draußen eine Katze angebunden sein müsse.

Als schließlich auch die Katze starb, wurde rasch eine neue Katze angeschafft, um sie während der Abendmeditation anbinden zu können.

Weil die einfachen Leute den Sinn dieser Maßnahme nicht verstanden, traten Theologen auf den Plan und schrieben ein zweibändiges Werk mit vielen Fußnoten über die Heilsnotwendigkeit einer angebundenen Katze während der Abendmeditation.

Mit der Zeit jedoch kam die Abendmeditation selbst außer Gebrauch. Niemand interessierte sich mehr dafür. Die Mönche verließen das Kloster. Es wird heute für den Tourismus genutzt.

Aber mit größter Treue wird wenigsten bis heut der Ritus des abendlichen Katzenanbindens beibehalten.

(Im Original von Antony de Mello)

Manchmal tun wir Dinge, von denen wir gar nicht mehr wissen warum wir sie tun. Wir tun sie, weil es schon unsere Vorgänger getan haben, weil es schon immer getan wird…